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Alltag mit Diabetes mellitus Typ 1 - Wie ging/geht mein Umfeld damit um?

Als ich meine Diagnose vor mehr als 8 Jahren bekommen habe, war ich einerseits erleichtert, weil ich nun wusste, was mit mir los ist, aber andererseits dachte ich: „Scheiße, was ist das überhaupt, was ist Diabetes, was bedeutet das jetzt, dass ich eine Typ 1-Diabetikerin bin?”


Nicht mal die Basics waren bei mir vorhanden und nun saß ich da, mit Spritzen und Messgerät, hörte mir irgendetwas über BE-Faktoren und Kohlenhydratangaben an und vertraute noch ganz naiv auf die Aussage des Arztes „Da gewöhnen Sie sich dran, das ist heutzutage alles halb so wild“.


Ja, so erging es mir, aber wie war es eigentlich bei meinem Umfeld? Mein Umfeld - das waren 2013 meine Familie, meine Freund*innen und meine Studienkolleg*innen.

Diabetes, klar, das kennt man - „Das ist doch diese Volkskrankheit”, “Hast du dich etwa nicht gut ernährt?”, “So dick bist du doch gar nicht” und “Ach, das tut mir ja leid, du bist ja noch so jung“. Jeder hat diese Sprüche und vermeintlich lustige Aussagen schon einmal gehört wie auch „Nachdem ich das gegessen habe, habe ich sicher Diabetes“. Auch in meinem näheren Umfeld fielen diese. Aber ich selbst hatte schließlich zu Beginn auch keine Ahnung, was es mit Typ 1-Diabetes auf sich hat - vielleicht hätte ich, wenn jemand anders aus meinem Freundeskreis diagnostiziert worden wäre, auch so etwas gefragt, gesagt – oder zumindest gedacht? Möglicherweise – denn meistens ist es ja so, dass man sich für das, was einen selbst nicht betrifft, auch nicht so sehr interessiert oder sich darüber informiert. Dies im Hinterkopf, habe ich die komischen Fragen meist weggelächelt, meine Diagnose-Story erzählt und kurz klargemacht (oder zumindest versucht), was das jetzt nun für mich heißt, mit Typ 1-Diabetes für immer leben zu müssen.



Da ich die Diagnose während meines 3. Semesters im Studium erhielt, war meine Familie nicht ganz so nah dran, aber sie war trotzdem immer für mich da, hat sich mein Gejammer angehört und war einfach hilfsbereit und verständnisvoll, genau im richtigen Maß und genauso, wie es gut für mich war (und ist!): Wenn sich eine Hypo anbahnte, gab es immer Trinkpäckchen in Reichweite, wenn mein Blutzucker zu hoch war, wurden nie blöde Fragen gestellt. Der Diabetes war von da an nebenbei immer mit dabei, aber er wurde nur Thema, wenn ich es ansprach oder es gerade passte – dafür hat meine Familie mittlerweile ein sehr gutes Gespür entwickelt.


In der Uni war der Diabetes ab dann natürlich auch immer dabei: Zu Beginn hatte ich noch kein CGM, da habe ich in der Mensa blutig am Tisch gemessen, habe mir Insulin in den Bauch oder das Bein gespritzt, dazu wurde von meinen Freund*innen nie groß etwas gesagt. Manchmal, wenn ich die Kohlenhydrate nicht gut schätzen konnte, haben wir gemeinsam überlegt und gescherzt, dass wir zur Not sonst später am Kiosk noch etwas Süßes kaufen könnten oder wir haben überlegt, wie man ein Trinkpäckchen vielleicht mit in die Bib schmuggeln könnte. Der Diabetes war mit dabei, war mal Thema, aber dann wieder auch nicht – für mich war es so perfekt. Natürlich gibt es immer Freund*innen, die mehr wissen wollen oder denen man auch einfach mehr erzählt und dann gibt es die, denen das Desinteresse oder auch die Überforderung mit dem Thema auf die Stirn geschrieben steht. Ich bin froh, dass ich hier immer ein gutes Mittelmaß mit allen gefunden habe, ich habe mich immer gut aufgehoben gefühlt.


In den WGs, in denen ich gewohnt habe, wussten immer alle Bescheid und waren hilfsbereit. Fragen wie „Was mache ich, wenn du auf dem Boden liegst und nicht mehr ansprechbar bist?“ und „Kannst du überhaupt Alkohol auf unserer Feier trinken?“ kamen immer wieder, gerne habe ich diese und mehr beantwortet, weil ich auch dankbar war über so viel Interesse und die Nettigkeit, die mir entgegengebracht wurde (und nein, ich habe zum Glück noch nie wegen meines Diabetes hilflos auf dem Boden gelegen).



Nun, in der Arbeitswelt, gehe ich genauso mit dem Thema um. Mit CGM und Pumpe ist natürlich alles diskreter, aber trotzdem erzähle ich, sobald es sich ergibt, von meiner Erkrankung und beantworte ohne Zögern alle Fragen, die mich dann auch oft zum Lachen (positiv!) bringen („Was piept denn hier?“, „Ach, das ist dein Alarm, was ist denn los?“, „Bei dir piept‘s wohl.“).


Ich glaube, dadurch, dass ich selbst offen über meine Krankheit rede, ist mein Umfeld auch bereit, sich ein wenig mehr mit dem Thema zu beschäftigen und es zeigt natürlich auch ein gewisses Interesse an mir, meiner Person und meinem Wohlbefinden. Vor dem Hintergrund ist es manchmal wirklich schön, wenn sich Familie und Freund*innen auch ab und zu die Erfahrungen an schlechten Diabetes-Tagen anhören (man neigt ja doch gerade bei Bekannten oder Kolleg*innen eher dazu, die ganz schlimmen und nervigen Seiten des Diabetes unerwähnt zu lassen).


Mein Umfeld war, nachdem ich von meiner Diagnose berichtet habe oder es jetzt auch tue, oft erschrocken und etwas ratlos, dann aber immer sofort hilfsbereit, offen und in bestimmten Situationen auch sehr verständnisvoll – es kommt eben wirklich ganz darauf an, wie man das ganze kommuniziert.



Wirklich negative, vorwurfsvolle oder genervte Reaktionen habe ich tatsächlich und zum Glück noch nicht geerntet. Ich denke, dass jeder seinen eigenen Weg finden muss, wie man sein Umfeld an den Diabetes heranführt und wie man in Zukunft Typ 1- Diabetes zum Thema macht. Für mich hat sich der richtige Weg einfach nach meinem Gefühl und mit der Zeit ergeben: Im Kopf haben, dass man (bei mir war es so zumindest) selbst vor der Diagnose keinen blassen Schimmer von einem Typ 1- Diabetes hatte und (genau aus dem Grund) offen berichten, sofern es sich anbietet, Fragen beantworten - und gegebenenfalls sogar den Blickwinkel ändern.

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