top of page

Yoga mit Diabetes mellitus Typ 1

Yoga: mein ZuRuheKommen, mein Zufluchtsort, mein Gedankenausschalter, mein WutVentil und immer da für mich - das alles war kurz nach der Diagnose einfach nicht möglich. Ich sollte mich, aufgrund der hohen Werte in den Wochen vor meiner Diagnose, möglichst wenig bewegen. Und mal ehrlich, eine Ketoazidose wollte ich in dieser Situation nun wirklich nicht auch noch. Die Yogamatte räumte ich also erst einmal weg. Dafür waren die Gedanken darüber, ob ich jemals wieder komplett entspannt auf dieser Matte sein werde und wirklich an nichts mehr denke, auch nicht an Blutzuckerwerte, einfach da und zwar so richtig. „Nein, das geht nie wieder, ich muss die ja immer im Blick haben“, dachte ich. Das Ziel des Yoga: die Beruhigung der Bewegung des Geistes (citta vritti nirodhah - aus dem Yoga Sutra nach Patanjali) – funktioniert das bei mir überhaupt noch?




Ich glaube an Tag 3 habe ich die Beraterin gefragt, ob ich nicht bitte langsam wieder anfangen kann. Langsam – schnell habe ich gemerkt, dass es da quasi keine andere Option gab. Auf der Matte hat nämlich irgendwie so gar nichts geklappt. Mal schossen die Werte in die Höhe, mal ging’s bergab und ich musste abbrechen. Und genau wie befürchtet: mit „Kopf aus“ und Abschalten hatte das sehr wenig zu tun. Woran das lag habe ich am Anfang so richtig nicht verstanden. Aber schnell wurde mir klar, dass die Vielfalt im Yoga für mich herausfordernd sein wird. Gerade der Mix aus tiefer Entspannung und auf der anderen Seite langen, kraftvollen oder dynamischen Einheiten macht es schwer, einzuschätzen wie viel Zucker gebraucht und verbraucht wird. Wie bei vielen Sportarten geht es hier um die Mischung aus aerober und anaerober Muskelarbeit (was der Unterschied ist, könnt ihr hier bei Instagram nachlesen). Schritt für Schritt - oder eher Asana für Asana und Atemzug für Atmenzug - habe ich zurück zu einem Flow gefunden. Ich habe genau beobachtet: welche Tageszeit, was habe ich vorher gegessen, was mache ich danach, welche Asanas mache ich, mache ich eher etwas ruhiges oder kraftvoll dynamisches, wie viel Zeit verbringe ich mit Atmentechniken usw. Heute weiß ich:

- für mich ist Yoga nüchtern am besten, - wenn es eine kraftvolle Praxis ist, starte ich lieber mit einem niedrigen Wert, - liegt der Fokus bei Entspannung ist der HypoSnack immer griffbereit - durch regelmäßige Praxis kann ich das Level meiner gesamten Werte etwas senken bzw. Ruhe in die Kurve bringen.

Letzteres klingt im ersten Moment vielleicht seltsam, aber ich habe wirklich gemerkt, dass mir eine regelmäßige Praxis hilft, meine Blutzuckerkurve stabil zu halten. Ich denke da spielen besonders zwei Faktoren eine Rolle: Das Ankurbeln des Stoffwechsels und Entspannung. Weniger Stress - weniger Stresshormone - weniger Chaos im Hormonhaushalt. Cortisol zum Beispiel das Hormon der Energiebereitstellung ist eigentlich super hilfreich um niedrige Werte zu verhindern. Es fördert direkt und indirekt die Gluconeogenese und lässt den Blutzucker so steigen, dass wir bei herausfordernden Situationen genügend Energie zur Verfügung haben. Allerdings wird es auch bei Stress im Alltag vermehrt ausgeschüttet: Zu viel davon bedeutet für mich mit Diabetes schnell hohe Werte. Einzuschätzen, wie stark die Werte steigen, ist bei innerer Anspannung oder in stressigen Situationen also super schwer. Übe ich mich in Entspannung, kann ich die Ausschüttung von Stresshormonen und damit unkontrollierbaren Blutzuckerschwankungen also zum Teil verringern. Okay das sollte aber jetzt kein „warum ist Sport so super“-Beitrag werden. Aber Sport hilft - nachweislich auch dem Kopf und der Psyche. Ich hab eine Weile gebraucht, um nach der Diagnose meinen Yogaflow wieder zu finden und dabei meine Werte stabil zu halten. Und mein Kopf? - der hat auch dazugelernt. Wie im gesamten Alltag bin ich auch auf der Matte entspannter im Umgang mit meinen Werten. Solange ich mich nach dem Yoga gut fühle, ist es okay wenn die Werte mal nicht passen. Ich kann in der Regel komplett abschalten - vor allem wenn ich nüchtern praktiziere oder die letzte Mahlzeit mindestens 3h her ist. Das funktioniert nicht mit Druck, sondern nur mit Geduld, wie so oft in meinem neuen Alltag mit Diabetes. Dazu gehört auch die Geduld mit anderen Menschen. Ich habe bei einer längeren Yogapraxis auch im Studio mein Handy neben der Matte, ohne aktivierte Alarme, aber es ist da. Das irritiert und stört manche, aber so weiß ich, dass ich, wenn ich möchte meinen Wert checken kann. Es gibt mir Sicherheit und schafft Ruhe. Und schwups kann ich sogar entspannt auf dem Kopf stehen!



Ja es ist nicht mehr wie vorher, aber das gilt für alles und ist mittlerweile meist ok so. Ich kenne meinen Körper. Auch wenn ich vorher schon bewusst mit ihm umgegangen bin, hat der achtsame Umgang mit mir selbst nochmal einen ganz anderen Stellenwert bekommen.

Regelmäßig Yoga zu praktizieren hilft mir vor allem an nicht so guten Tagen die Dankbarkeit für das, was ich habe, die Akzeptanz von dem, was ist und den Mut für das, was kommt wiederzufinden. Es wäre gelogen, wenn ich sage, dass ich das jeden Tag so annehmen und umsetzen kann. Aber ich weiß, dass es geht - auch dank der inneren Haltung des Yoga, die ich auf der Matte immer wieder übe. Ich weiß, dass es nichts bringt gegen meine Gedanken, meinen inneren Schweinehund zu kämpfen. Manchmal muss ich ihn nur ein bisschen streicheln, annehmen und akzeptieren damit er sich wieder in Bewegung setzt. Meistens wird er dann auf der Yogamatte zu einem dankbar herabschauenden Hund. Und warum der Hoop dafür sorgt, dass alles rund läuft und ich durch die Gegend tanze erzähl ich wann anders… Bis bald! Eure Jenna


 

Weitere Einblicke in einen Alltag mit Yoga und Diabetes Typ 1 gibt es auf Instagram: @jennaratedflow

105 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page